Die Sendung am Sonntag erweckt die Geschichten des Alten Kanals zu neuem Leben.


„Von Schlagrahmdampfern und anderen verlorenen Dingen“ lautet der Titel des Films, den wir am Sonntag, 29. November (Wiederholung 6. Dezember), senden. Grundlage des Films bilden die Geschichten, die der Journalist Klaus Schamberger vor vielen Jahren über die  „Schlagrahmdampfer“ des Ludwigskanals recherchiert und aufgeschrieben hat. Die Autoren Robert Lohner und Stefan Gnad erzählen uns im Interview, was sie an den frühen Partybooten, mit denen Ausflügler in den 20er und 30er Jahren von Nürnberg nach Fürth gefahren sind, fasziniert und warum sie einen Tubaspieler für die musikalische Untermalung des Films ausgewählt haben. 

Robert, Stefan, ihr habt Euch auf Spurensuche begeben: nach Schlagrahmdampfern und anderen verlorenen Dingen entlang der A73, dem „Frankenschnellweg“. Wie seid Ihr auf dieses Thema gekommen?

Robert Lohner: Vor drei Jahren haben wir für die Medienwerkstatt schon mal einen Film über den Alten Kanal gedreht. Da ist einiges an Material übriggeblieben, das wir leider nicht mehr untergebracht haben, das aber viel zu schön war zum Wegwerfen – vor allem Gegenüberstellungen von historischen Aufnahmen und wie es heute dort aussieht. Daraus, das war uns schnell klar, sollte man unbedingt noch einmal einen eigenen Film machen.

Stefan Gnad: Ich bin am Alten Kanal aufgewachsen. Das Thema begleitet mich seit meiner Kindheit. Dass der Ludwigskanal aber tatsächlich mal durch Nürnberg geführt hat, An den Rampen und dort, wo heute die A73 ist, und dass das alles so furchtbar lange noch gar nicht her ist, darauf bin ich so richtig erst vor ein paar Jahren gestoßen: Durch den Krimi „Rache, Engel!“ von Petra Nacke und Elmar Tannert, in dem das thematisiert wird.

„Aus diesen Häusern“, sie zeigt auf eine Zeile Altbauten, die scheinbar der Brandung trotzen, aber statt Würde Resignation ausstrahlen, „aus diesen Häusern hat man einmal auf den Alten Kanal gesehen. Ein Gewässer, mitten in der Stadt. Enten und Gänse. Ab und zu ist ein Fuhrwerk vorbeigefahren oder eine Pferdebahn. Komm, wir gehen spazieren am Alten Kanal!“

Sie klettern hinab in die Senke des ehemaligen Kanalbetts, das an dieser Stelle, zwischen Bahndamm und Busbahnhof, eingeklemmt zwischen den Fahrbahnen der Stadtautobahn, als wuchernde Gestrüppzone erhalten geblieben ist, für die kein Landschaftsarchitekt und kein Tiefbauingenieur eine Verwendung gefunden hat, und es ist noch kein halbes Menschenleben her, da gab es die Stadtautobahn noch nicht. In den Köpfen der Planer existierte sie schon, aber für die Kinder war es ein riesiger Abenteuerspielplatz. Tut das denn keinem weh, hier entlangzufahren, schreit Gregor (und man weiß nicht, ob er schreit, weil er den Lärm überschreien muss), als sie die Schwabacher Straße unterqueren, weiß denn keiner mehr, was hier einmal war, ist denn kein Einziger dabei, der durch sein Kindheitsparadies fährt, ist denn er der Einzige, der hier aufgewachsen und von hier nie weggekommen ist, wie die Häuser, die einmal an einem Ufer standen und nicht fliehen können und verdammt sind, alles zu ertragen, was um sie geschieht?

 

aus: Petra Nacke/Elmar Tannert: Rache, Engel!, ars vivendi Verlag Cadolzburg, 2008.

Seit der Lektüre habe ich die Gegend An den Rampen und um die U-Bahn-Station Rothenburger Straße herum mit anderen Augen gesehen, wann immer ich da vorbeigefahren bin oder besser im Stau gestanden bin. Und ich bin da eine zeitlang wirklich viel gestanden. Vorbei- oder durchfahren ist aber das eine. Wenn man da dann aber mal aussteigt und rumläuft, merkt man erst, was das eigentlich für ein schlimmer Ort ist – gerade im Direktvergleich mit historischen Fotos.

Robert Lohner: Irgendwie mag sich in Nürnberg kaum noch wer daran erinnern, dass hier mal der Alte Kanal war. Interessanterweise hatte der Architekt und Stadtplaner Hermann Jansen schon Anfang der 30er Jahre Überlegungen angestellt, auf den alten Ludwigskanal eine Auto-Schnellstraße zu setzen.

Ihr erzählt Euren Film „nach Texten“ des Journalisten Klaus Schamberger. Warum?

Robert Lohner: Klaus Schamberger hat in den 70er und 80er Jahren die Protagonisten der „Schlagrahmdampfer“ besucht und mit ihnen gesprochen. Von denen lebt heute keiner mehr. Seine poetischen, sehr berührenden Texte und Reportagen von damals haben in ihrer Aussage aber wenig bis garnix eingebüßt. Die A73 oder der Frankenschnellweg ist immer noch ein Asphalt und Blech gewordener Wahnsinn, von dem wir, wenn wir ihn nutzen und befahren, natürlich immer auch selbst ein Teil sind.

Warum habt Ihr den Film gemacht?

Robert Lohner: Die Vorstellung, dass da zwischen den Weltkriegen lustige Partyboote unterwegs waren und dass es für die Menschen damals eine schicke Sache war, am Wochenende mit dem oder der Herzallerliebsten zum Weigel nach Fürth zu schippern für Kaffee und Kuchen, diese Vorstellung hat uns irgendwie begeistert.

Stefan Gnad: Ja. Und trotz dieses erst einmal zweckfreien Vergnügens aus dem letzten Jahrtausend – eine nicht einmal fünf Kilometer lange Fahrt mit einem Ausflugsschiff von Nürnberg nach Fürth – geht es in unserem Film aber auch um Stadtentwicklung, und zwar um einen Teil, der nach wie vor hochaktuell ist. Der Ausbau des Frankenschnellwegs an den Rampen wird ja – wie so vieles in Nürnberg – seit Jahren und Jahrzehnten ergebnislos diskutiert, ohne dass sich irgendetwas tut oder irgendetwas vorwärts geht.

Robert Lohner: Trotzdem ist unser Film in erster Linie ein kleines Zeitdokument. Keinesfalls ein „früher war alles besser“, aber ein „früher war vieles anders“.

Der Fürther Musiker Heinrich Filsner macht in Euerem Film Musik auf seiner Tuba. Wie seid Ihr auf ihn gekommen?

Stefan Gnad: Durch den Matthias Egersdörfer, der ja bei unserem ersten Kanalfilm den Text gesprochen hat. Der hat vor ein paar Jahren zusammen mit dem Heinrich eine schöne CD aufgenommen, betitelt „Mündlich“. Wir dachten, es passt, wenn er das Lied „Frühmorgens, wenn die Hähne krähen“, das in Klaus Schambergers Text vorkommt, in unserem Film auf der Tuba spielt. Als wir dann beim Dreh im Gasthof Weigel in Kronach ein gemeinsames Mittagessen eingenommen haben, sind wir darauf gekommen, dass der Herr Filsner ja auch zusammen mit dem Klaus Schamberger auftritt – und dass wir die beiden tatsächlich mal zusammen live in der Comödie in Fürth gesehen haben.

Ihr habt es schon erwähnt: Den Gasthof Weigel in Kronach, wo seinerzeit die „Schlagrahmdampfer“ angelegt haben, gibt es immer noch. Um mit den Worten von Klaus Schamberger, mit denen der Film beginnt, zu fragen: Schmecken die Karpfen dort denn immer noch so wie vor 90 Jahren?

Stefan Gnad: Möglicherweise.

 

Die Medienwerkstatt-Doku „Von Schlagrahmdampfern und anderen verlorenen Dingen“ läuft am Sonntag, 29. November  um 19, 21 und 23 Uhr im Franken Fernsehen. Wiederholung ist eine Woche später, am 6. Dezember zu den gleichen Sendezeiten.