
Der Alte Kanal
Rein wirtschaftlich gesehen ist der Ludwig-Donau-Main-Kanal heute ohne Nutzen. Und streng genommen war das schon bei seiner Eröffnung vor über 170 Jahren so.
1846 wurde der Ludwigskanal, die künstliche Wasserstraße, die Donau und Main miteinander verband und damit das letzte fehlende Verbindungsstück zwischen Nordsee und Schwarzem Meer schuf, nach zehnjähriger Bauzeit eingeweiht. Aus den geplanten acht Millionen Gulden waren am Ende 17,5 Millionen Gulden geworden, doch Ludwig der I, König von Bayern, wollte das Prestige-Projekt unbedingt fertig stellen – allein schon, weil Karl der Große tausend Jahre vor ihm daran gescheitert war.
Dass seine Majestät jedoch gar nicht mehr zur Eröffnungsfeier am 15. Juli 1846 in Erlangen anreiste, lässt tief blicken. Wahrscheinlich ahnte der König, dass die ertragreichen Tage des ehrgeizigen Bauwerks gezählt waren. Kaum fertig gestellt, erwies sich der Ludwigskanal als zu eng und zu mühsam zu befahren. Der Eisenbahn, die Güter und Menschen viel schneller, billiger und bequemer transportierte, hatten die langsamen, von Pferden gezogenen Treidelschiffe nichts entgegenzusetzen. Aus dem Ludwigskanal wurde der Alte Kanal.
Trotzdem hat die künstliche Wasserstraße bis heute überlebt – zumindest dort, wo man in den 1960er Jahren keine Autobahn auf das Kanalbett gesetzt hat. Zwischen Beilngries und Nürnberg ist der Ludwigskanal weitgehend im Originalzustand erhalten: Auf 65 Kilometern Länge, mit Wasser gefüllt und samt der alten Schleusen und Schleusenwärterhäuschen. In Schuss gehalten wird das Industriedenkmal von den Wasserwirtschaftsämtern entlang der Strecke. Aber auch am Startpunkt in Kelheim und am Endpunkt in Bamberg finden sich noch Reste des Alten Kanals. Und selbst da, wo er vom Verkehr nicht komplett aus der Landschaft gedrängt oder gar getilgt wurde, findet sich auf den zweiten Blick das ein oder andere Relikt.
Heute hat der Alte Kanal mehr Bedeutung denn je: Als Biotop, aber auch als Naherholungsgebiet ist dieses Stück schlafende bayerische Romantik für die Menschen in Franken, Ober- und Niederbayern und in der Oberpfalz von unschätzbarem Wert.
Zusammen mit Kameramann Andreas Holzmüller sind Stefan Gnad und Robert Lohner für die Medienwerkstatt losgezogen und haben das schlafende Gewässer ein Jahr begleitet. Doch nicht die hochinteressante Geschichte des Industriedenkmals stand im Fokus, sondern der Kanal selbst. Da die Autoren dort aufgewachsen sind, wissen sie: Die Wasserstraße sieht zu jeder Jahreszeit anders aus.
Die stumme Schönheit dieses Bauwerks und seine leicht melancholische Stimmung einzufangen, die selbst in der sonnigsten Sommerszene über dem Alten Kanal liegt, war das Ziel des Medienwerkstatt-Teams. „Der Kanal ist der Hauptdarsteller in unserem Film, ihm sind wir durch die vier Jahreszeiten gefolgt“, sagt Autor Robert Lohner. „Was die Menschen über ihn zu sagen haben, das erzählen wir ein andermal.“
Jahr
2018
Datum
28.11.2019