Am 13. September 2022 wurde Jina Mahsa Amini von der iranischen Sittenpolizei verhaftet, weil sie ihren Hidschab angeblich nicht korrekt getragen hat. Bei ihrer Festnahme wurde die 22-jährige Kurdin von der Polizei brutal geschlagen und starb an den Folgen ihrer Verletzungen. Der Mord an der jungen Frau hat im ganzen Land massive Proteste gegen das unterdrückende Mullah-Regime ausgelöst.
Auch in Nürnberg gibt es immer wieder Demonstrationen und Solidaritätskundgebungen zur Unterstützung der feministischen Revolution im Iran. Sara Reinhard, eine ehemalige Praktikantin der Medienwerkstatt, arbeitet gerade an einem Film über die Widerstandsbewegung in Nürnberg und hat uns im Interview zum Frauen*kampftag von ihren Eindrücken berichtet.
Sara, worum genau geht es denn in deinem Film?
Sara: Ich wollte die aktuelle Bewegung festhalten, aber aus der lokalen Perspektive, quasi von Nürnberg aus. Deshalb habe ich mit der iranischen Community Kontakt aufgenommen und drei Frauen gefunden, die bereit waren, ein Interview zu geben. Ich möchte ihre Geschichte festhalten und zeigen, wie sie sich einsetzen. Sei es auf Demos oder durch irgendeine andere Form von Aktivismus.
Welche Rolle spielen Frauen bei den Protesten im Iran?
Sara: Es ist eine feministische Revolution. Der Bericht über den Mord an Jina Mahsa Amini wurde von zwei Journalistinnen veröffentlicht, die bis heute dafür im Iran im Gefängnis sitzen. Durch die Wut und den Widerstand von Frauen ist die Protestwelle erst entstanden. An der Spitze der Bewegung stehen mutige Iranerinnen, die im Zuge des Mordes ihre Kopftücher verbrannt haben. Die Bewegung verbindet alle Bevölkerungsgruppen, jegliche Minderheiten und Religionen miteinander.
Es ist ja dein erster eigener Film für die Medienwerkstatt. Wieso hast du dich gerade für dieses Thema entschieden?
Sara: Das ist eine gute Frage. Ich komme eigentlich nicht aus Nürnberg, aber es sollte ein Thema sein, das irgendwie auch einen Bezug zu Nürnberg und zu Franken hat, weil es ja auch im Lokalfernsehen ausgestrahlt wird. Ich habe mich dann damit beschäftigt, was in Nürnberg gerade los ist und bin so auf die Proteste und Demos gestoßen, die immer wieder in der Innenstadt waren. Ich fand das Thema ziemlich wichtig und es hat danach ausgesehen, dass es eine Bewegung wird und nicht nur ein einmaliger Protest. Deswegen habe ich mich dafür interessiert und dachte mir, dass es gut wäre, Aufmerksamkeit darauf zu lenken.
Was wird denn in Nürnberg getan, um die Proteste im Iran zu unterstützen und wie engagieren sich die Frauen, mit denen du gesprochen hast?
Sara: Es gibt in Nürnberg eine persische und eine kurdische “Frau, Leben, Freiheit”-Gruppe, die oft Demonstrationen und Solidaritätsveranstaltungen zusammen organisieren. Auch der iranische Kulturverein, Khayam, organisiert viel mit. Die Frauen, mit denen ich gesprochen habe, sind da ganz unterschiedlich involviert und haben auch sehr verschiedene Geschichten.
Kannst du uns ein bisschen was über die Geschichten erzählen?
Sara: Eine der Frauen, Parva, kommt aus dem kurdischen Teil des Iran. Sie ist schon im Teenageralter mit ihrem Vater geflüchtet, weil er politisch aktiv war. Seit fünf Jahren ist sie in Deutschland und engagiert sich vor allem stark in der kurdischen “Frau, Leben, Freiheit”-Gruppe in Nürnberg. Außerdem hat sie auch von Deutschland aus für einen kurdischen Sender als Moderatorin gearbeitet.
Werden auch Frauen zu Wort kommen, die den Iran erst kürzlich verlassen haben?
Sara: Es ist auch eine relativ junge Iranerin dabei, Sarina. Sie ist erst 23. Sarina hat professionell Thai geboxt und war dafür auch in Thailand. Als sie wieder in den Iran gegangen ist, um ihr Visum zu erneuern, hat sie Ärger bekommen, weil sie ohne Kopftuch geboxt hat. Deswegen ist sie dann nach Deutschland geflüchtet und in Nürnberg gelandet.
Und auch die dritte Frau, Shabnam, musste flüchten. Sie war eigentlich wegen einer Hochzeit in Deutschland und musste dann hier bleiben, weil sie erfahren hat, dass sie sonst verhaftet wird. Sie war immer mal wieder politisch aktiv und schreibt politische Gedichte. In Nürnberg engagiert sie sich in der iranischen Community und bei den ganzen Aktionen, die jetzt stattfinden. Wir waren auch bei einem Auftritt von ihr dabei, wo eines ihrer Gedichte von drei verschiedenen Leuten vorgetragen und mit Live-Musik untermalt wurde.
Was hat dich an diesen Frauen besonders beeindruckt?
Sara: Bei Parva fand ich beeindruckend, dass sie trotz allem immer weiter macht und aktiv sein möchte, obwohl sie aus dem Ausland heraus auch schon bedroht wurde und deshalb in den Sozialen Medien erstmal nicht mehr aktiv war. Jetzt macht sie aber trotzdem weiter. Genauso auch bei Shabnam. Sie war schon im Gefängnis – und macht trotz des Traumas weiter. Und bei Sarina fand ich es ziemlich beeindruckend, wie schnell sie Deutsch gelernt hat, innerhalb von einem Jahr, und sich quasi hier eingerichtet hat. Das ist jetzt ihre neue Heimat.
Du hast ja jetzt viel mit Frauen aus dem Iran gesprochen. Was bekommen die denn aus ihrer Heimat mit? Was erwartet die Menschen im Iran, die auf die Straße gehen?
Sara: Sarina, die Boxerin, hat das ganz gut ausgedrückt. Wenn sie mit ihren Freunden im Iran schreibt, dann macht sie sich immer Sorgen, wenn sie zum Beispiel mal nicht antworten. Es ist nicht so wie in Deutschland, du protestierst und gehst dann wieder nach Hause, sondern es kann sein, dass du nicht wieder nach Hause kommst. Das beschreibt es, finde ich ganz gut. Du riskierst im Iran eben dein Leben, wenn du auf die Straße gehst und protestierst. Umso beeindruckender ist es, dass diese Menschen trotzdem für ihre Freiheit weiterkämpfen.
Interview: Lina Paulsen
Der Film „Frau, Leben, Freiheit – Iranischer Protest in Nürnberg” von Sara Reinhard läuft am Sonntag, 16. April, 19, 21 und 23 Uhr im Franken Fernsehen. Wiederholung: Sonntag, 23. April, 19, 21 und 23 Uhr im Franken Fernsehen // Livestream zu den Sendezeiten auf frankenfernsehen.tv
Weitere Filmen zum Frauen*kampftag aus dem letzten Jahr: