„Die Diskussion um den Ausbau des Frankenschnellwegs wird weitergehen. Sie zeigt im Brennglas, wie die verschiedenen gesellschaftlichen Fragen ineinander greifen.”
Hier geht es zum Film „Der Frankenschnellweg”
Ausbau des Frankenschnellwegs? Nein, danke! Zumindest, wenn es nach Theobald Fuchs geht, Mitbegründer des Nürnberg-Fürther Stadtkanalvereins (NFSK e.V.). Er findet: Auf der Stadtautobahn sollten, neben einem Kanal, lieber Freibäder, Freilichtbühnen und Fahrradstraßen entstehen…
Fuchs arbeitet als Autor und Wissenschaftler in Fürth und lebt in der Nähe des Frankenschnellwegs. Im Interview erzählt er uns, warum er Anfang des Jahres den Verein zur Wiederherstellung des Stadtkanals mitbegründet hat, warum die Forderungen für ihn keine Utopie sind und welche Rolle bürgerschaftliches Engagement bei der Umsetzung spielt.
Unser Film trägt den Titel “Frankenschnellweg – Stadtreparatur für morgen oder Projekt von gestern?” Was würdest du sagen?
Definitiv ist das ein Projekt von gestern… Deshalb haben wir unseren Verein Nürnberg-Fürther Stadtkanal ja gegründet. Uns verbindet, dass wir mit dem Ausbau des Frankenschnellwegs unzufrieden sind. Wir glauben nicht an die Lösung des Tunnels, die von Seiten der Stadt vorgeschlagen wird. Wir haben den Wunsch, dass sich Nürnberg zu einer lebenswerteren Stadt entwickelt, dazu zählt für uns ganz konkret die Abkehr vom motorisierten Individualverkehr, hin zu einer Verkehrswende.
Wer seid ihr eigentlich?
Wir sind momentan irgendwas zwischen 7 und 9 Menschen – alle aus Nürnberg, größtenteils Anwohner*innen. Bei uns sind Landschaftsgärtner*innen, Architekt*innen und Grafikdesigner*innen organisiert – einige unserer Mitglieder haben also schon Erfahrung in Stadtplanungsfragen und Projektumsetzung gemacht . Wir stellen unsere Forderungen also nicht blind, sondern diskutieren viel, erstellen Modelle und zeichnen Entwurfskizzen.

Entwurfsskizze zum Kanal zwischen Rothenburgerstrasse und Dianaplatz. Bild: NFSK e.V.
Was ist eure Idee?
Wir wollen den Bau und Betrieb eines Kanals auf der Trasse der A73 vorantreiben und umsetzen. Unser Ziel ist es, die Stadtautobahn – und die von ihr in Beschlag genommenen Flächen – zurückzubauen und in eine innerstädtische Wasserlandschaft zurückzuverwandeln – als Gemeinschaftsprojekt der Bürgerinnen und Bürger. Wir sind nicht sentimental oder retro, möchten nicht die kaiserliche Kanalidylle der Vergangenheit verklären – das wäre uns zu eindimensional. Uns ist durchaus bewusst, dass man eine Wasserstraße in einer Großstadt heute anders gestalten muss, als vor 150 Jahren – wo Wirtschafts- und Handelsaspekte der Schifffahrt im Vordergrund standen. Insgesamt geht es um 40 Hektar Grund, den man ganz neu erschließen könnte. Daraus ergeben sich verschiedene, spannende Möglichkeiten.

Bade-Schwimmveranstaltung im Kanalhafen Fürth bei Poppenreuth (vmtl. 1900) Bild: NFSK e.V.
Die da wären?
Als Ausgleich für den Frankenschnellweg soll der öffentliche Verkehr am Kanal gestärkt werden. Für den Transport von Personen möchten wir Wasserbusse der Verkehrsbetriebe einsetzen, zusätzlich sollen Fahrradschnellwege entstehen. Entlang des Kanals sollen außerdem neue Freizeit- und Kulturangebote geschaffen werden: Mehrere Freibäder und eine Freilichtbühne für Konzerte schweben uns da vor. 30 Prozent der Fläche sollen außerdem gewerblich genutzt werden: Kleine Cafés oder lokale Unternehmen, die Bezug zum Wasser haben, könnten sich dann ansiedeln. Von ihrer Gewerbesteuer würde auch die Stadt profitieren. Ein zentraler Punkt unseres Konzepts ist bürgerschaftliches Engagement: Die Uferbereiche werden in Parzellen eingeteilt und können von den Vereinsmitglieder – ähnlich wie ein Kleingarten – genutzt werden.
Wie soll man sowas denn organisieren?
Es ist ja nicht so gemeint, dass ein großer Baukonzern kommt, zehn Jahre baggert, dann kriegt man einen Schlüssel und setzt sich in den Liegestuhl. Es geht tatsächlich darum zu initiieren, dass die Bürger*innen selbst mitgestalten und mitbauen. Das ist quasi der Häuslesbauergedanke aus den 60ern, der hier zur Anwendung kommt. Die Vereinsmitglieder bekommen im Gegenzug lebenslangen Zugriff auf die Parzellen. Es geht darum, dass man sich einen unabhängigen Freiraum schafft. Das ist, glaube ich, eine attraktive Idee für viele – und auch eine gute Möglichkeit für alle, die sich sonst keinen Garten leisten könnten.
Mit Blick auf die steigenden Mietpreise und Wohnungsnot in Nürnberg: Wäre da Wohnungsbau nicht wichtiger?
Am Autobahnknoten im Süden wie auch in Doos würden gewaltige Flächen frei werden, wir schätzen drei bis fünf Hektar, die im aktuellen Zustand durch Auf- und Abfahrten vergeudet werden. Diese Flächen wären gut für Wohnungsbau geeignet, hier könnte ein neues Stadtviertel entstehen.
Klar, das hört sich das jetzt erstmal gut an – aber was passiert dann mit den Autos? Die verschwinden ja nicht von heute auf morgen. Wird der Verkehr nicht nur verlagert?
Wir haben einige Stellschrauben. Es ist doch so: Wenn man die Sache großräumig betrachtet, zieht die Stadtautobahn Durchgangsverkehr und LKW an – beispielsweise von Menschen, die von Frankfurt nach München fahren und zehn Minuten Fahrzeit sparen wollen. Für die Anwohner*innen ist es doch total sinnlos, dass Fernverkehr durch die Stadt geleitet wird. Ein großer Teil würde wegfallen, wenn diese das Stadtgebiet umfahren. Und: Falls der Ausbau des Frankenschnellwegs tatsächlich kommt, würde sich der Verkehr während der Bauzeit reduzieren – schon allein durch die entstehende Baustelle bilden sich neue Routen. Da muss die Politik ehrlicher formulieren, dass der Ausbau, bis zu einer angeblichen Verbesserung des Stauproblems, Jahrzehnte dauern wird.
Aber was machen Pendler*innen?
Die halbe Milliarde Euro, die in den Ausbau investiert werden sollen, müssen natürlich parallel dazu in den ÖPNV gesteckt werden. Es muss günstiger und praktischer werden, das Auto stehen zu lassen. Da ist ja eine riesige Summe Geld vorhanden, die Frage ist halt, wie man sie investiert. Natürlich müssten sich viele Menschen zunächst umstellen, deshalb ist es ja auch unser Ziel, Anreize zu schaffen, sodass die Vorteile für alle die Nachteile einiger überwiegen.
Die Stadtspitze macht immer wieder deutlich, dass sie an den Plänen des Ausbaus festhält ….
Ja, das hat stark zu unserer Gründung beigetragen. Letztlich ist doch das Problem, dass die Politik die Wähler*innen nicht verschrecken möchte und sich deshalb nicht traut, den Konflikt an der Wurzel anzugehen. Das hat auch mit der Demographie Nürnbergs zu tun und dem Freiheitsgefühl, das viele aufgrund ihrer Sozialisation mit dem Auto verbinden. Die Politiker*innen haben ihre Entscheidung unserer Meinung nach nicht zu Ende gedacht – und unterstützen Verkehrsplanung aus den 60er Jahren. Damit wird langfristig niemand glücklich, gerade die künftigen Wähler*innen fordern ökologisches Handeln. CSU und SPD tun sich hier keinen Gefallen.
Der Frankenschnellweg ist teuer – aber auch der Kanalbau hört sich nach einem Mammutprojekt an…
Unser Plan ist es nicht, ein neues Großprojekt mit internationalen Investoren auf den Weg zu bringen. Wir möchten die Sache pragmatisch angehen. Durch die Einsparung der Kosten für die Autobahn und deren Unterhalt, werden Mittel für den Ausbau und Betrieb von Schienen- und Wasserwegen frei. Obendrein werden neue Einnahmen durch Steuern aus Gewerbe und Gastronomie generiert. Und zuletzt gibt es europäische Fördermöglichkeiten für innovative Stadtplanung. Natürlich ist die Finanzierung eine komplexe Geschichte und wir können keinen genauen Betrag nennen. Aber: Die Kosten für den Frankenschnellweg sind genauso wenig gesichert und steigen seit Jahren kontinuierlich an – und das bei einer rückständigen Verkehrsplanung.
Deine Prognose: Wie wird es weitergehen?
Ich rechne nicht damit, dass angefangen wird zu bauen, selbst wenn sich der Bund Naturschutz auf den Vergleich mit der Stadt einlässt. Aufgrund von Corona wurden schon andere Großbauprojekte auf die lange Bank geschoben. So sehe ich es auch hier kommen – die Stadt wird sich auf ihre Position zurückziehen und sich auf Sachzwänge berufen. Das Projekt wird dann verschoben werden. Die Situation könnte sich dadurch endlos in die Länge ziehen. Das sehe ich als großes Risiko für die Politik, denn der Frankenschnellweg altert ja auch an sich. Mit den Lärmschutzwänden werden sie anfangen, um zu zeigen, dass sie etwas tun – beim Tunnel werden sie meiner Meinung nach nicht ankommen.

Der Kanal in Potsdam. Bild: Initiative “Bürger für die Mitte”
Hand auf’s Herz – Wie oft müsst ihr euch anhören, dass ihr Spinner seid?
Ach das geht. Klar wirken die Ideen vielleicht erstmal radikal, aber oft verweisen wir darauf, dass andere Städte schon konkret an der Umsetzung der Themen arbeiten, die wir fordern – auch in Deutschland. In Potsdam wird derzeit der ehemalige Kanal, der größtenteils unter Verkehrsflächen liegt, wieder zurückgebaut. Auch hier haben sich Vereine gegründet, die das Projekt fördern und finanziell unterstützen. Langfristiger Plan ist die vollständige Wiederherstellung des gesamten Kanals in Teilabschnitten.
Es bleibt also spannend…
Ja. Die Diskussion um den Ausbau des Frankenschnellwegs wird weitergehen. Sie zeigt im Brennglas, wie die verschiedenen gesellschaftlichen Fragen ineinander greifen. Wohnungsnot, demographischer Wandel, Mobilität, Freiheit des Einzelnen, Solidarität, Umweltschutz. Da vereinen sich die drängenden Themen unserer Zeit…
Interview: Valeska Rehm
Zur Person: Theobald Fuchs lebt in Nürnberg und arbeitet in Fürth. Er ist Wissenschaftler und Autor und engagiert sich ehrenamtlich bei diversen Nürnberger Initiativen. Sein besonderes Interesse gilt technologischen Visionen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft.
Der Film „Der Frankenschnellweg – Stadtreparatur für morgen oder Projekt von gestern?” von Lisa Kräher läuft am Sonntag, 21. März, 19, 21 und 23 Uhr im Franken Fernsehen. Wiederholung: Sonntag, 28. März, 19, 21 und 23 Uhr im Franken Fernsehen // Livestream zu den Sendezeiten auf frankenfernsehen.tv